Über die akustischen Verhältnisse

Von Johannes Unger, Marienorganist

War die im 13. Jahrhundert errichtete gotische Hallenkirche zu Anfang ein Ort für einstimmige Gesänge, so z. B. beim Stundengebet, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Komplexität der Musik parallel zu den akustischen Verhältnissen, welche hauptsächlich durch die zunehmende Innen-Ausstattung der Kirche (Gestühl, Epitaphien, Emporen, Orgeln, Singechor, Hauptaltar, Fahnen) bestimmt wurde. Für die Mehrstimmigkeit und die für St. Marien belegte Mehrchörigkeit (bis zu 6 Ensembles gleichzeitig) waren im 16. und 17. Jahrhundert ein gleichmäßig verteilter Klang und verringerte Nachhallzeiten unumgänglich und sehr wahrscheinlich erreicht, wenn auch der Raum in seiner Größe immer eine Herausforderung für die Musiker darstellte.


Die Zerstörungen des Krieges 1942 haben die akustischen Verhältnisse mit einem Schlag zurück ins 13. Jahrhundert verändert. Sämtliche hölzernen und marmornen Einbauten, der den Raum strukturierende Singechor (Lettner), die vielen den Klang diffus reflektierenden Flächen, selbst die schallschluckenden Kalkfarben waren verschwunden. Der Abriss des großen Fredenhagen-Altares, als die letzte verbliebene große Reflektionsfläche im Hochchor, bildete den Abschluss einer plötzlich eingetretenen Entwicklung, die das Musizieren in diesem Raum in vielen Teilen äußerst schwer macht.